Vitali


Vitali Piepowitsch

Aufzucht eines Spatzenküken

Dienstag, 12. Mai 2009, ca 20.30 Uhr. Ich mache noch einen abendlichen Rundgang durch den Garten. Es dämmert  und die Luft ist schon recht kühl. Ich sehe eine Elster wegfliegen und wundere mich, was die um diese Zeit hier zu tun hat.  Da sehe ich etwas auf dem Boden liegen, was sich bewegt. Zuerst dachte ich ein durch den Wind abgerissenes Blatt zu sehen, aber als ich näher kam, war es ein kleines, fast nacktes Vogelküken. Sollte ich die Elster dabei gestört haben, dieses kleine Wesen zu verspeisen? Ich möchte nicht darüber nachdenken und hebe das kleine Würmchen auf. Ich habe irgendwo gelesen, daß man  Vögel anfassen kann, um sie wieder ins Nest zu setzen oder, falls sie schon draußen herumhüpfen aber noch nicht fliegen können halt an einen geschützteren Ort in der Nähe setzen kann. Vögel riechen es nicht, wenn ein Mensch ihre Küken angefasst hat. Das soll jetzt aber bitte nicht als Freibrief angesehen werden, jedes Vogelbaby zu begrabbeln, wenn es nicht nötig ist!

 
So, da war also nun das kleines Vögelchen. Was tun?? Ich wußte, daß unter den Dachschindeln unseres Hauses Spatzen brüten. Die erste Idee war natürlich, das kleine Kerlchen wieder ins Nest zu setzen. Von der Färbung her konnte es auch nur ein Spatz sein. Also hat Frank die große Leiter vorgekramt und ist zum Dach hochgestiegen. Er konnte aber das Nest nicht entdecken. Auch in der neben dem Haus stehenden Eibe war nichts zu sehen. Die zweite Idee war dann, eine Wärmflasche zu nehmen, den Vogel in sowas ähnlichem wie ein Nest draufzusetzen und zu beobachten, ob sich überhaupt ein Altvogel blicken läßt. Ist im Nachhinein ja auch irgendwie Quatsch gewesen, denn wie hätte Spatzenmami- oder Papi seinen Nachwuchs ins Nest hiefen sollen? Es hat sich niemand blicken lassen und so wurde die Aktion abgeblasen und der Piepmatz mit Wärmflasche und Nest mit ins Haus genommen. Schwiegermama borgte uns ein Heizkissen, welches wir dann anstatt Wärmflasche auf kleinster Stufe unterm provisorischen Nest deponierten. Nun saß der kleine Vogel warm und trocken, aber er mußte ja auch irgendwie gefüttert werden. 
Aber was gibt man einem Spatzenküken zu fressen?  Ich habe mich an unseren Grünling erinnert, den meine Schwester und ich in unserer Kindheit gefunden haben. Damals haben meine Eltern versucht, ihn erstmal mit  Traubenzuckerlösung zu überreden, den Schnabel aufzumachen, was nach einiger Zeit auch geschah. Dies wollte ich hier natürlich auch probieren.  Nun habe ich auf die Schnelle kein Traubenzucker gefunden. Ich hab ein Holzstäbchen genommen, in Wasser getaucht, und den kleinen Tropfen, der dann daran hing, dem Vogel vorsichtig seitlich an den Schnabel getupft. Nach einigen Versuchen konnte man anhand der Schnabelbewegung (ich nenne das jetzt mal so) sehen, daß er zumindest ein wenig vom Wasser in den Schnabel bekam. Nach einigem Suchen hat mein lieber Gatte tatsächlich etwas Traubenzucker gefunden. Schnell mit Wasser vermischt und fertig war die "Kraftbrühe".  Siehe da, nach einigen Versuchen fing unser kleiner Freund sogar den Schnabel aufzureißen. Erst etwas zaghaft, aber nachher dann doch immer öfter und fordernder.

Vitali

Na Bitte, die erste Hürde war genommen. Man konnte sehen und jetzt auch hören, wie er langsam etwas kräftiger wurde. Lautstark wurde Fressen eingefordert, aber woher um diese Zeit nehmen? Mittlerweile war es 23.00 Uhr! Zu diesem Zeitpunkt füttern auch die Vögel draußen nicht mehr ihre Brut. Außerdem hatte ich überhaupt keine Ahnung, was ich ihm zu Fressen geben sollte. Wie gut das es Internet gibt. Nach einigem Suchen fand ich u.a.  die Seite  wildvogelhilfe.org. Dort findet man eine Menge an Informationen, die helfen, Vogelküken aufzuziehen. Zum Beispiel auch diese, dass reine Körnerfresser bei der Aufzucht mit Insekten gefüttert werden. Nun, für heute mußte die Traubenzuckerlösung genügen. Draussen war es dunkel und somit hoffnungslos, irgendein Insekt zu finden. Ich bin gegen Mitternacht schlafen gegangen und hoffte, daß das Vögelchen am Morgen noch am Leben ist.
Die Freude war natürlich riesig, als ich morgens um 06.00 Uhr nach unserem kleinen Gast schaute. Er piepste so vital in seinem Nestchen, daß er auch schon seinen Namen weg hatte: Vitali. Später kam noch der Nachname Piepowitsch dazu.

Mittwoch, 13.05.2009, 06.00 Uhr: Vitali lebt und ist schon kräftig am Rabatz machen. Schnell etwas Traubenzuckerlösung verabreichen und dann nach draußen um etwas Fressbares zu finden. Es ist wie verhext, wenn man Insekten braucht, sind keine da! Nach intensiver Suche finde ich eine Pferdemücke.  Tut mir ja leid, sie zu Vogelfutter zu verarbeiten, aber was muß, das muß. Das war ja nun wirklich kein großer Happen. Um 07.00 Uhr habe ich dann bei meinen Eltern angerufen, um nachzufragen, ob sie sich noch daran erinnern, was wir unserem Grünling damals an Futter verabreicht haben. Der war allerdings schon etwas älter und den konnten wir mit einem Brei aus zerhackten Sonnenblumenkernen, Haferflocken und Petersilie füttern. Mein Vater hatte die Idee seinen ehemaligen Arbeitskollegen anzurufen, denn der hatte schon mehrere Vögel aufgezogen. Das tat ich dann auch. Er riet mir zu Fliegenmaden. Die kann man leicht bei einem Anglerzubehörladen bekommen. Was für ein Glück. Hier ganz in der Nähe befindet sich so ein Geschäft.

 

Die Fliegenmaden werden lebend verkauft. Hm, lecker. Der Kollege wies mich aber noch darauf hin, daß ich diese nicht lebend verfüttern soll, denn die könnten sich durch die zarten Darmwände des Vogels fressen. Ich sollte also die Maden töten indem ich sie mit ner Nagelschere einschneide....Noch mehr Igitt... irgendwie wibbelten die dann immer noch so komisch rum und das Schlimmste, da quoll so Zeugs aus den Maden.... Oh nee, es mußte eine andere Möglichkeit geben. Selbst, wenn Maden eklig sind, so sollten sie doch nicht ganz so sehr gequält werden. Dem Vitali haben sie aber geschmeckt. Der war ganz begeistert, endlich was "Handfestes" zwischen die Schnabelkanten zu kriegen. Nach nochmaligem Lesen auf der Wildvogelseite war ich schlauer. Und auch entsetzt, aber es hilft ja nichts: In einem Topf Wasser zum Kochen bringen, anschließend die Fliegenmaden hineinschütten, fertig. die Toten Maden sammelten sich nun an der Oberfläche. In einem Sieb gut abtropfen lassen (oder eine Salatschleuder verwenden) Die nun trockenen Maden einfrieren.  Im Fachhandel heißen die so zubereiteten Maden Pinkies. Kosten aber auch etwas mehr. Vorteil, der Ekelfaktor ist nicht ganz so hoch. Die Maden kann man so bearbeitet dann leicht portionsweise entnehmen.

vitali

Heute wurde Vitali gewogen. Er bringt ganze 10  (in Worten ZEHN) Gramm auf die Waage. Na, was ein ausgewachsener Spatz werden will muß dann aber ordentlich zulegen... Die nächsten Tage sind echt anstrengend. Früh aus den Federn, spätestens alle Stunde füttern. Der normale Haushalt muß auch erledigt werden. Im Garten gibt es auch genug zu tun. Es ist Wahnsinn, wie schnell man sich an den Familienzuwachs gewöhnt. Alles dreht sich um Vitali. Gehts dem Kleinen gut? Oops, der ist so still, lebt er noch... ja, da gehts wieder los mit der Piepserei.... Eigentlich würde man ihn immer nur knuddeln, so süß ist der, aber nein, es ist ein Wildvogel, er soll sich nicht an den Menschen gewöhnen... Es ist wirklich gut, daß er sich nach dem Füttern gleich wieder verkriecht..... Zuerst dachte ich, daß es etwas damit zu tun hat, daß er verängstigt ist.... aber nein, ich erkläre es mir so, daß Spatzen ja Höhlenbrüter sind.... 

Vitali

Vitali

Es ist erstaunlich wie schnell sich Vitali entwickelt. Er verändert sich von Tag zu Tag. Aus einem halbnackten Etwas wird sehr schnell ein voll befiederter Vogel. Er nimmt durchschnittlich 3 Gramm pro Tag zu. Es ist mittlerweile der 16.05.2009. Vitali wiegt 17 Gramm Ich habe langsam angefangen zusätzlich zu den Maden einen Futterbrei aus Sonnenblumenkernen, Schmelzflocken, Aufzuchtfutter und etwas Petersilie zu füttern. Den Brei mag Vitali überhaupt nicht, aber irgendwann muß man ja mal anfangen, ihn an Körnerfutter zu gewöhnen. Das wird später nun mal seine Hauptnahrung sein. Zwischenzeitlich mache ich mir bei seiner Agilität auch Sorgen, daß er irgendwann aus seinem Karton, den er momentan noch bewohnt, purzeln könnte. Vorsichtshalber habe ich  in seiner Umgebung schon sämtliche Ritzen verdeckt, damit er nicht, im Falle einer Kartonflucht , irgendwo hinterm Schrank landet und wir ihn nicht ohne größere Anstrengung wieder frei bekommen.

Vitali


Vitali

Vitali sitzt noch recht wackelig auf dem Finger.  Man muß ihm noch eine Stütze als Balance unter den Hintern halten, damit er nicht umfällt. So langsam kann man jetzt auch erkennen, daß ich mit einem männlichen Namen nicht falsch gelegen habe. Oder vielleicht doch? Zunächst erkennt man am Gefieder, daß Vitali wirklich ein Spatz oder Sperling ist. Aber wie komme ich darauf, daß es wirklich ein Hähnchen ist? Keine Ahnung, ich rate einfach. Vitali ist  ein Feldsperling . Das habe ich herausgefunden. Aber bei denen ist die Henne genauso gezeichnet! Wer mehr wissen möchte, möge dann zusätzlich noch Fachliteratur wälzen oder sich im Internet schlau machen. Hier an dieser Stelle gibt es nur die Geschichte von Vitali.
Vitali verändert sich in einem ungeheueren Tempo. Zunächst hatte ich ihn in einem ausgepolsterten Schuhkarton untergebracht in dem ich ihm auch eine Möglichkeit zum Verkriechen (wir erinnern uns: Spatz = Höhlenbrüter) gegeben habe.  Langsam muß ich wirklich damit rechnen, daß er mir mal aus dem Karton hüpft. Als ich ihn zwischendurch mal aus seinem Karton genommen habe, um zu schauen, ob alles in Ordnung ist (also Gefieder, klare Augen, usw) isser doch glatt losgeflogen. Ich weiß nicht, ob er das heimlich geübt hat, oder ob das von der Natur so vorgegeben ist. Fliegen ging jedenfalls gut, nur mit dem Landen hatte er so seinen Probleme. Gut, die glatten Gardinenstangen sind sicher auch für ältere Vögel eine Herausforderung... da muß man schon den Dreh raushaben.
Jetzt wurde es also Zeit einen Vogelkäfig zu besorgen. Doch woher nehmen und nicht stehlen? Zum Glück ist Frank eingefallen, daß ein Kumpel von ihm immer einen ganzen Zoo Zuhause hatte. Vielleicht hat er ja einen Käfig über. Gesagt, getan, nachgefragt: Käfig ja, aber irgend so ein Nagerdingens. Macht nichts, hat bestens funktioniert. Vitali hat sich schnell eingelebt. Ich habe ihm noch eine "Höhle" in den Käfig eingebaut, aber die hat er gar nicht genutzt. Er saß lieber auf dem Höhlendach, als in der Höhle. Vom Käfig aus konnte er jetzt auch endlich die anderen Vögel draußen beobachten. Wahrscheinlich waren sogar auch  seine Geschwister dabei.  Wenn es die Temperaturen zuließen, stand er mit seinem Käfig draußen auf der Terrasse. Er sollte sich schließlich so langsam an das Klima draußen gewöhnen.  Ab und an wurde er auch mal von einem Artgenossen besucht.

xVitali1 Vitali wächst und gedeiht prächtig. So langsam müssen wir auch daran denken ihn  freizulassen. Das tut mir jetzt schon leid, aber es tut mir auch leid, mit anzusehen, wie sehr er nach draußen zu den anderen Vögeln möchte. Die Futterumstellung geht zwar recht zögerlich voran, aber so langsam wirds. Ich bin  nun mal kein Vogel und kann ihm daher nicht zeigen, wie man auf Vogelart Körner knackt. Aber auch das bekommt er irgendwann hin....
Wird noch aktualisiert